„Nein“ gehört zu den traurigsten Worten, die jemand auf eine Bitte oder Aufforderung antworten kann. Niemand hört gerne ein Nein und will auch genau so ungern eine Bitte negativ erwidern. Doch warum ist das so? Aus welchen Gründen denken wir, es wäre so schlimm jemandem zu sagen, was man wirklich will, anstatt zähneknirschend seiner Bitte Folge zu leisten?
Wir schauen uns in diesem Artikel genauer an, wieso es wichtig ist auch einmal Nein sagen zu können und wie du Nein sagen lernen kannst.
Inhaltsverzeichnis
Nein sagen lernen: Warum fällt es uns so schwer?
Theoretisch ist es relativ simpel: Wenn wir etwas nicht möchten, dann sollten wir es auch nicht tun. Doch leider ist die Umsetzung ein anderes Problem. Es gibt verschiedene Faktoren, die uns dazu veranlassen, von unseren eigentlichen Vorlieben abzuweichen. Manche davon sind sogar unbewusst. Das bedeutet, wir wollen es eigentlich nicht, aber merken es erst, wenn es zu spät. Wir stellen dir jetzt einige der Gründe vor, warum wir von unseren eigentlichen Wünschen das eine oder andere Mal abweichen:
Angst vor Ablehnung
Einer der häufigsten Gründe, warum wir Menschen einen Gefallen nicht verwehren, ist die Angst davor, dass der Gegenüber es einem sonst übel nehmen würden. Man ist so darauf programmiert anderen gefallen zu wollen und nicht negativ aufzufallen. Doch warum tun wir uns das an? Im Endeffekt mögen wir doch auch nicht jeden Menschen, nur weil er Sachen für uns tut. Zuneigung wird daraus geboren, dass man andere Menschen kennenlernt und sie als diese nehmen, die sie sind.
Wenn du nicht, das machst, wofür du selber einstehst, dann wird es früher oder später auffallen. Du bist nicht authentisch und ehrlich zu dir selbst. Das ist letztendlich, was andere mehr abschreckt, als dass du zu deiner Meinung stehst.
Angst etwas zu verpassen
Die Angst etwas zu verpassen (aus dem Englischen FOMO: fear of missing out) ist ein gesellschaftliches Phänomen, bei dem es vor allem um die Zeit mit anderen Menschen geht. Heutzutage präsentieren viele einen großen Teil ihres Alltags in den sozialen Medien. Man hat das Gefühl die Highlights des Tages mit anderen teilen zu müssen, um interessant und glücklich zu wirken.
Nur was ist, wenn man den ganzen Tag zu Hause war und einmal nichts Spannendes gemacht hat? Richtig, der eigene Social-Media-Kanal bleibt leer. Eigentlich sollte das kein Problem sein. Leider ertappt man sich aber dann oft dabei, zu schauen, was die anderen Menschen im Bekanntenkreis so machen. Sie posten natürlich von ihren tollen Treffen, Abendessen und Erlebnissen und wir spüren unter Umständen einen Anflug von Neid.
Schließlich sagen wir daraufhin zu unseren Freunden und Bekannten einmal mehr Ja als Nein, um Teil von diesen sozialen Aktivitäten zu sein, ohne dass wir es womöglich immer wollen. Wir wollen aber auch nicht Nein sagen und dann womöglich „sozial abgehängt“ werden.
Voreilige Zusagen
Druck und manchmal auch soziale Bequemlichkeit sorgen dafür, dass wir einmal seltener Nein sagen, als wir es eigentlich wollen. Auch wenn wir oft gute Gründe hätten, eine Bitte abzuschlagen, denken wir oft nicht länger nach und sagen einfach zu. Doch ein Blick in unseren Terminkalender genügt, um festzustellen, dass wir eigentlich gar keine Zeit haben. Jetzt nachträglich absagen, wollen wir dann aber auch nicht und beißen in den sauren Apfel.
Zwanghaftes Helfen
Es ist ein schönes Gefühl, jemandem einen Gefallen zu tun. Man spürt eine gewisse Freude bzw. Zufriedenheit mit einem selbst, wenn man einem Hilfesuchenden in der Not beistehen kann. Doch das kann schnell in eine falsche Richtung überschlagen. Fixiert man sich zu sehr auf diese Helferrolle, kann es dazu führen, dass man sich nach diesem Gefühl des „Gebrauchtwerden“ immer weiter sehnt und ohne nicht mehr kann.
In extremen Fällen spricht man hierbei von dem Helfersyndrom. Die Betroffenen brauchen die gesellschaftliche Anerkennung und die Bestätigung anderer, um glücklich zu sein.
Dabei kommen in der abgeschwächten, sowie in der extremen Form, die eigenen Bedürfnisse mehr oder weniger oft zu kurz. Wir helfen selbst dann, wenn wir keine Zeit oder Lust haben, bzw. es uns körperlich oder geistig auslaugen könnte. Wir werden zu einer Art Märtyrer, der sich für die anderen Menschen aufopfert, nur um ein kleines bisschen Anerkennung und Lob einzuheimsen.
Angst vor den Konsequenzen
Vor allem im Berufsleben, aber auch bei Freundschaften oder in der Beziehung haben wir oft Angst davor Nein zu sagen, weil wir die Konsequenzen fürchten. Was passiert, wenn wir unserem Chef sagen, dass wir keine Überstunden machen wollen? Denkt er jetzt womöglich schlecht von mir oder noch schlimmer: Winkt direkt eine Kündigung ins Haus? Was denkt mein Partner bzw. meine Partnerin von mir, wenn ich einmal eine Verabredung absage, weil ich lieber etwas anderes mache? Könnte das, das Ende der Beziehung sein?
Diese negativen Gedanken wie Kündigung oder das Beziehungsende sind natürlich oft überspitzte Szenarien und werden so nicht eintreffen, das bedeutet aber nicht das unser Unterbewusstsein diese Möglichkeiten wirklich immer ausschließt. Sie werden oft unbewusst in unserer Entscheidung miteinbezogen. Dazu kommt auch, dass man Angst hat eine schlechte Reputation in seinem Umfeld zu erhalten. Man könnte von seinen Mitmenschen als egoistisch oder nicht hilfsbereit angesehen werden, also im Endeffekt ein schlechtes Fremdbild abgeben.
Schuldgefühle
Jemand braucht unbedingt unsere Hilfe und wir weigern uns? Natürlich hat man da zuerst Schuldgefühle. Von allen Menschen auf der Welt wurdest du ausgesucht, diesem Menschen zu helfen und jetzt sagst du, Nein? Tatsächlich jedoch bist du wahrscheinlich nicht der Erste, den der andere gefragt hat und wenn du verneinst wahrscheinlich auch nicht der Letzte.
Aber diese Schuldgefühle sind oft unbegründet. Es geht hierbei weniger darum, nicht hilfsbereit oder nicht für andere Menschen da zu sein. Es geht viel mehr darum seine eigenen Grenzen zu kennen und sie auch durchzusetzen. Leider existieren Menschen, die genau diese Schuldgefühle hervorrufen wollen. Sie lassen es dich gerne spüren, solltest du ihrer Aufforderung nicht nachkommen. Letzten Endes knicken wir dann doch ein.
Warum wir Nein sagen lernen
Zeit ist die wichtigste Ressource, die wir im Leben besitzen. Man bekommt sie nicht wieder, kann sie nicht anhalten oder gar zurückdrehen. Aus diesem Grund ist die Macht mit deiner Zeit frei umgehen zu können, eine der wichtigsten Fähigkeiten, damit du dein Leben so leben kannst, wie du es willst.
Natürlich sind wir von unserem Alltag, vor allem unserem Beruf eingeschränkt, aber trotzdem haben wir doch die meiste Zeit unseres Lebens selbst in der Hand. Es wäre natürlich sehr ärgerlich, wenn man diese verschwenden würde.
Das Problem ist das „Ja“, denn im ersten Moment fühlt sich das „Ja“ sagen gut an. Das liegt vor allem daran, dass man vermeintliche soziale Spannung vermeidet und jemand anderem etwas Gutes tun möchte. Doch zu welchem Preis? Unser Terminkalender wird immer voller, unsere Tage anstrengender und viel wichtiger: Unsere Zeit, die wir für uns haben, wird immer weniger.
Wenn du zu Anderen „Ja“ sagst, dann sei dir sicher, dass du nicht „Nein“ zu dir selbst sagst.
Nein sagen in Verbindung mit deinem Selbstwertgefühl
Was sagen Probleme mit dem Nein sagen über deine Persönlichkeit aus? Das ist eine schwer zu beantwortende Frage, da es viele verschiedene Ursachen für das Problem gibt. Generell jedoch vergessen wir oft bei unseren Entscheidungen uns selbst. Wir machen diese Sachen häufig, um anderen zu gefallen. Wir wollen uns selbst in ein positives Licht rücken. Aber für wen tun wir das oft? Richtig, für andere.
Diese Verhaltensweise wird verstärkt je weniger Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein wir haben. Denn wenn man zu sich selbst steht, dann sind einem die Meinung von anderen Menschen vielleicht immer noch wichtig, aber sie bestimmen nicht dein Handeln. Um also zu lernen, wie man Nein sagt, musst du vorher erst einmal lernen, dir selbst zu vertrauen.
7 Tipps, wie du Nein sagen lernen kannst
Es ist nicht immer einfach seine ersten Instinkte zu trotzen und wirklich in sich hineinhorchen, um das zu machen, was man wirklich will. Die oben genannten Ängste sind stets in unserem Kopf und verleiten uns dazu einmal mehr Ja als Nein zu sagen. Genau so gibt es oft auch einen gewissen sozialen Druck, sich anderen zu fügen und so, am wenigsten Konflikt zu kreieren.
Wir haben für dich im Folgenden eigene Tipps vorbereiten, die euch helfen können, Nein zu sagen und dabei auch zu bleiben.
1. Setze dir vorher klare Grenzen
Damit du dir eigene Zeit und Überlegungen sparen kannst, solltest du dir vorher klare Grenzen definieren. Hast du dir diese erst einmal gesetzt, fällt es dir einfacher zu identifizieren, ob du eine Bitte oder Aufforderung ablehnen solltest, wenn sie deine Grenzen überschreiten würde.
Falls du diese Grenzen mit dem Bittsteller klar kommuniziert hast, bleibt ihm nichts anderes übrig als deinen Standpunkt zu akzeptieren.
2. Kommuniziere mit deinen Mitmenschen
Die meisten Menschen bitten dich nur nach Dinge, wo sie davon ausgehen, dass du sie auch wirklich für sie ausführen kannst. Sie gehen dabei von den Grenzen und Richtlinien aus, die du mit ihnen kommuniziert hast. Hat aber keine Kommunikation vorher erfolgt, wissen sie nicht, welche Grenzen du gesetzt hast.
Das heißt, du kannst präventiv Bitten vermeiden, die du ausschlagen würdest, indem du transparent gegenüber deinen Mitmenschen bist. Welche Sachen gehen für dich zu weit, wieso kannst oder willst du ihnen bei einer Sache nicht helfen? Vielleicht bist du momentan in einer Phase, in der du dich mehr auf deine Familie/Freunde/Arbeit konzentrieren willst? Teile es deinem Gegenüber mit. Wenn du ehrlich zu ihnen bist, werden sie auch ehrlich zu dir sein.
3. Für die Antwort Zeit nehmen
Anstatt auf eine Bitte direkt zu antworten, räume dir etwas Zeit an, um über deine Antwort nachzudenken. Schaue dir ggf. deinen Terminkalender an und gucke, ob du überhaupt die nötige Zeit besitzt. Das Wichtigste ist auch emotional von der Entscheidung etwas Abstand zu gewinnen und die Sache objektiv zu betrachten.
Das hilft auch dem Bittsteller, denn er erkennt, dass du dir erstmal einen Überblick schaffen musst und ihm nicht „aus dem Bauch heraus“ deine Hilfe verwehrst.
Nur wenn du „Nein“ sagst, kannst du dich auf die Dinge konzentrieren, die wirklich wichtig sind.
4. Spare dir die Ausreden oder Ausflüchte
Manchmal gibt es Sachen, die man einfach nicht machen möchte. Anstatt es aber frei heraus zu sagen, verpacken wir unsere Antworten oft in leere Floskeln oder nett gemeinte Ausreden. „Ich würde mich ja wirklich gerne mit dir treffen, aber diese Woche ist es gerade sehr schlecht.“ Diesen Satz hat wahrscheinlich jeder auf irgendeine Art schon einmal gesagt. Aber meinen wir es denn wirklich? Das Problem dabei ist, dass wir dem anderen einen gewissen Hoffnungsschimmer lassen und somit er sich motiviert fühlt nachzuhaken und um deine Gunst zu „feilschen“. Oder aber er denkt sich, dass du nur „jetzt gerade“ nicht helfen kannst, aber es sonst gerne tun möchtest.
Aus diesem Grund raten wir dir, ehrlich mit deinen Mitmenschen zu sein. „Nein, das möchte ich nicht.“ ist oft Antwort genug, auch wenn es zu Anfang schwerfällt.
5. Schlage eine Alternative vor
Falls es möglich ist, kannst du anstatt Nein zu sagen mit deinem Bittsteller eine Alternative überlegen, die euch beide zufriedenstellt. Wichtig ist dabei, dass du es nicht tust, weil dir ein klares Nein zu unangenehm ist oder um die Situation zu deeskalieren. Viel mehr sollte es ein wichtiges Hilfsmittel sein, deine Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen.
6. Steigere dein Selbstbewusstsein
Das ein gutes Selbstbewusstsein viele Vorteile hat, ist keine neue Erkenntnis, aber vor allem für deine Fähigkeit Nein zu sagen fundamental wichtig. Nur wenn du von dir und deiner Meinung wirklich überzeugt bist, kannst du ohne Gewissensbisse oder Schuldgefühle Nein sagen. Wir wollen dir mit diesem Tipp auch nochmal Erinnerung rufen, dass persönliches Wachstum in den wichtigen Themengebieten wie Selbstbewusstsein, Selbstfindung und innere Stärke sich auf viele Bereiche deines Lebens auswirken – und auch eben auf deine Fähigkeit Nein zu sagen.
7. Entschuldige dich nicht dafür, dass du die Bitte ablehnst
Bei dem letzten Tipp geht es weniger um deine Mitmenschen, als um dich selbst. Natürlich ist es mitunter schade für den anderen, dass du ihm nicht hilfst. Aber es ist sehr wichtig, dass du verstehst, dass es völlig in Ordnung ist eine Bitte oder eine Aufforderung abzulehnen. Du bist niemandem irgendetwas schuldig. Wenn du es mit dir nicht vereinbaren kannst, dann sollte das dein Gegenüber akzeptieren, auch ohne deine Entschuldigung.