Klare Grenzen setzen – Wie man sie identifiziert und umsetzt

Klare gesunde Grenzen setzen, selbst wenn es einem schwerfällt: Das ist eine Fähigkeit, die in unserer heutigen Zeit oft unterschätzt und vergessen wird. Wir loben den Freund, der immer für einen da ist, der sich immer aufopfert und alles auf sich nimmt. Doch wenn die Person klare Grenzen setzt und auf eine Bitte oder einen Vorschlag mit Nein erwidert, sammelt dieser im Umfeld manch Unverständnis oder fragende Blicke.

Doch gibt es eine klare Linie zwischen Hilfsbereitschaft und Eigensinnigkeit, sowie zwischen Engstirnigkeit und Offenheit? Die Antwort auf diese Frage ist ein klares Ja. Diese Linie wird aber nicht von einem außenstehenden gesetzt, sondern von einem selbst. Grenzen setzen ist ein wichtiger Bestandteil unserer Identitätsfindung und Selbstpflege. Es geht dabei um die eigene Gesundheit und Zufriedenheit. Zu viele Menschen machen Dinge, die sie eigentlich nicht tun wollen, um Menschen zu gefallen oder zu helfen. Doch wer bleibt dabei oft auf der Strecke? Man selbst.

Wir wollen dir in diesem Artikel zeigen, wie wichtig es für dein eigenes Wohlbefinden ist klare Grenzen zu setzen, wie du sie umsetzt und zur Not die Konsequenzen ziehst, wenn deine Grenzen einmal überschritten werden.

Grenzen setzen ist Bestandteil der Selbstpflege

Viele Aspekte der Selbstpflege sind intuitiv und einfach zu verstehen. Wir ernähren uns gesund, damit unser Körper gesund bleibt. Wir machen Sport, um fit zu bleiben und gut auszusehen. Doch wieso ist das Setzen von Grenzen auch eine Form der Selbstpflege?

Klare Grenzen setzen ist fundamental für die langfristige Erhaltung deiner Zufriedenheit und deines Glücks. Natürlich ist keiner im ersten Moment glücklicher oder zufriedener, weil er einen festen Standpunkt hat oder sich weigert, etwas zu tun. Vielmehr geht es hier um Prävention. Mit gesunden Grenzen können wir unnötigen Stress, Burnout und Wut vorbeugen. Denn oft entstehen Stresssituationen in zwischenmenschlichen Beziehungen oder im Beruf, weil man seine Grenzen nicht klar vermittelt hat.

Man hat sich schon wieder Mehrarbeit aufschwatzen lassen. Der Partner hat wieder etwas getan, das einem nicht gefällt und man hat sich nicht getraut es zur Sprache zu bringen. Das sind Probleme, die entstehen können, wenn man keine gesunden Grenzen gesetzt und vermittelt hat.

Aus diesem Grund ist es für die eigene Persönlichkeitsentwicklung wichtig, klare gesunde persönliche Grenzen zu setzen. 

Um Grenzen zu setzen, muss man den Mut haben, sich selbst zu lieben, auch wenn wir riskieren, andere zu enttäuschen

Brené Brown (geb. 1965), US-amerikanische Professorin und Autorin

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Arten von persönlichen Grenzen

Wenn wir im zwischenmenschlichen Bereich an Grenzen denken, dann denken wir vor allem daran jemanden ein Stoppschild vor die Nase zu setzen und auch einmal Nein zu sagen. Man denkt daran, Sachen für sich zu machen und nicht für andere. Das sind aber nicht die einzigen Arten von Grenzen, die man setzt. Im Folgenden erklären wir dir, auf welchen verschiedenen Ebenen du Grenzen setzen kannst bzw. unbewusst schon selbst gesetzt hast:

  • Physische Grenzen. Zu klaren physischen Grenzen gehört das eigene Empfinden, wie Menschen sich in deiner Umgebung verhalten sollen. Dazu gehört das Einhalten deines persönlichen Raums und Berührungen. Außerdem zählt dazu auch das Verständnis und das Erkennen der Grenzen anderer und diese nicht zu überschreiten.
  • Intellektuelle Grenzen. Bei den intellektuellen Grenzen achten wir vor allem darauf wie mit unseren Ideen und Gedanken umgegangen werden bzw. wie wir andere Menschen und ihre Meinung respektieren. So können deine intellektuellen Grenzen überschritten werden, wenn man dich bspw. nicht Ernst nimmt oder deine Ideen nicht wertschätzt.
  • Emotionale Grenzen. Hier geht es grundlegend um die Gefühle eines Menschen und wie man mit ihnen umgeht. Dazu gehört, ab wann man persönliche Gedanken mit Freunden teilt, aber auch die natürliche Entwicklung einer Beziehung. Emotionalen Grenzen werden unter anderem überschritten, wenn man Gefühle anderer kritisiert oder herunterspielt.
  • Materielle Grenzen. Bei diesen Grenzen geht es um den Umgang mit Geld und Besitz. Der Umgang mit dem Eigentum anderer und wie andere mit deinen Dingen umgehen steht hier im Mittelpunkt. Materielle Grenzen können überschritten werden, wenn bspw. Menschen schlecht mit deinen Sachen umgehen oder wenn man genötigt wird, jemandem Geld zu leihen.
  • Zeitliche Grenzen. Zu diesen Grenzen gehört wie man seine Zeit verwertet. Menschen mit gesunden Grenzen haben meist eine gute Balance, wie viel Zeit sie für verschiedene Aspekte des Lebens (Beruf, Freunde, Freizeit) einräumen. Zeitliche Grenzen werden von deinen Mitmenschen überschritten, wenn sie mehr Zeit von einem einfordern, als man ihnen geben will.

Was sind die richtigen Grenzen?

Natürlich setzt jeder Mensch für sich Grenzen unterschiedlich. Sie hängen zum einen vom Charakter und den persönlichen Erfahrungen ab. Extrovertierte Menschen haben ganz andere Grenzen als introvertierte, genau so können gute bzw. schlechte Erfahrungen in der Kindheit oder in zwischenmenschlichen Beziehungen die Grenzen verschieben.

Außerdem können verschiedene Menschen auch verschiedenen Fokus auf die Grenzen haben. So achten manche klar darauf ihre materiellen Grenzen zu setzen, sind aber weitaus lockerer mit ihrer Zeit.

Unabhängig davon hängen die persönlichen Grenzen stark von der Kultur ab, in der man lebt. So sind die physischen Grenzen in Bezug auf den persönlichen Raum bei Menschen aus Skandinavien weiter als bei Menschen aus Südeuropa. Dafür sind die Normen in Bezug auf sozialen Umgang auf den verschiedenen Kontinenten zum Teil sehr unterschiedlich.

Zu lockere und zu starre Grenzen

Grenzen setzen ist für viele Menschen eine unbewusste Tätigkeit. Gesetzte Grenzen werden oft auch nicht mehr hinterfragt. Das bedeutet, dass man für sich oft Grenzen entwickelt hat, die einen letztlich aber nicht guttun und hindern könnten. Denn Grenzen können auch aus Glaubenssätzen gebildet werden, die sich nicht von der eigenen Überzeugung, sondern aus verschiedenen Ängsten und Problemen manifestiert haben. 

Häufig wurden auch Grenzen entweder zu locker oder zu starr gesetzt. Wir haben für dich einige der schlechten Nebenwirkungen von ungesunden Grenzen für dich aufgelistet. Natürlich sind sie darauf nicht beschränkt, können aber ein guter Hinweis sein.

Zu strikte Grenzen

  • Vermeiden von Intimität oder tiefergehende Beziehungen
  • Selten bzw. ungern um Hilfe beten
  • Andere auf Distanz halten aus Angst vor Ablehnung
  • Geringe Kritikfähigkeit und Sturheit
  • Distanziert selbst mit engen Freunden oder Partnern

Zu lockere Grenzen

  • Zu involviert in die Schwierigkeiten anderer
  • Probleme Nein zu sagen
  • Angst vor Ablehnung, wenn man nicht tut, was andere verlangen
  • Abhängig von der Meinung anderer
  • Akzeptanz von Respektlosigkeit und Missbrauch

Gesunde Grenzen

  • Schätzt die eigene Meinung
  • Persönlichen Werte nicht von anderen ändern lassen
  • Eigene Wünsche und Bedürfnisse kennen und kommunizieren
  • Akzeptieren, wenn andere Nein zu einem sagen.

Klare Grenzen setzen und umsetzen: Drei Schritte

Wir haben darüber geredet, welche Arten von Grenzen es gibt und wie sich unter Umständen schlecht umgesetzte Grenzen andeuten. Als Nächstes reden wir darüber, wie du selbst für dich neue Grenzen entdeckst, setzt und letztlich auch umsetzen kannst.

Schritt 1: Grenzen identifizieren und definieren

Bevor wir neue Grenzen definieren können, müssen wir darüber nachdenken, welche Grenzen wir bisher gesetzt haben, worauf sie beruhen und was uns dabei wichtig ist. Dazu musst du dich selbst reflektieren und in dich hineinhorchen. Der nächste Schritt ist jetzt deine bisherigen Grenzen zu analysieren. Sind sie im Einklang mit deinen persönlichen Werten und dem, was du für dich in deinem Leben willst? Solltest du dir nicht sicher sein, was deine persönlichen Werte sind und was dich bewegt, können wir dir unsere große Anleitung zur Selbstfindung empfehlen.

Deine eigenen Grenzen zu setzen, ist keine einfache Aufgabe. Versuche dabei ehrlich zu dir selbst zu sein und arbeite am besten die fünf verschiedenen Arten von Grenzen ab. Für den Anfang sollten drei Grenzen pro Kategorie reichen.

Typische Probleme beim Grenzen definieren

Eine häufige Schwierigkeit beim Definieren deiner Grenzen ist herauszufinden, ob sie zu locker oder zu starr gesetzt worden sind. Um dem entgegenzuwirken, muss dir im Klaren werden: Jede Grenze, die du dir jetzt setzt, ist ein dynamisches Konstrukt in deinem Kopf. Nur weil du es dir jetzt klar formulierst, ist es noch lange nicht in Stein gemeißelt. Zu deinem persönlichen Wachstum gehört regelmäßige Selbstreflexion sich Situationen im Leben anzuschauen und die eigene Reaktion zu hinterfragen. Habe ich an meinen Grenzen festgehalten? Hätte ich auch anders reagieren können? Was wären dann die Konsequenzen gewesen? 

Deine persönlichen Grenzen werden sich in deinem Leben immer wieder verändern, weil du dich auch als Mensch veränderst. Den größten Fehler, den du machen kannst, ist in deinen Denkmustern festgefahren zu sein und keinen Raum für Entwicklung zu lassen.

Schritt 2: Grenzen kommunizieren

Der zweite Schritt, um gesunde Grenzen zu setzen, wird oft unterschätzt oder gar nicht in Erwägung gezogen: Du musst deine Grenzen mit deinen Mitmenschen kommunizieren, denn Grenzen werden nicht von einem selbst, sondern oftmals von anderen Personen überschritten.

Wenn du deine Grenzen in Worte fasst und sie deutlich aussprichst, fällt es dir erstens einfacher sie einzuhalten und zweitens können sich deine Mitmenschen auf deine Grenzen einstellen.

Vor allem im Beruf können klar kommunizierte Grenzen viele Probleme und Stresssituationen präventiv verhindern. Zwischenmenschlich wirken Menschen, die ihre Grenzen deutlich kommunizieren, selbstbewusster und gefestigter. Das bedeutet natürlich nicht, dass du jedem alle deine persönlichen Grenzen erzählen solltest, sondern dass du in den richtigen Momenten proaktiv mögliche Probleme ansprichst und andeutest.

Typische Probleme beim Grenzen kommunizieren

Die größte Schwierigkeit besteht natürlich darin sich zu trauen den Mund aufzumachen und seine Gefühle vor anderen preiszugeben. Vielleicht sind dir deine Grenzen peinlich oder du möchtest andere nicht einschränken. Der wichtige Punkt, den du beachten solltest, ist, dass du deine Grenzen nicht mitteilst, um deine Mitmenschen zu limitieren. Ganz im Gegenteil: willst du sie damit bestärken und ihnen Hilfestellungen geben, wie sie am besten mit dir umgehen können. Stell dir einmal vor, dass du auf der anderen Seite bist und einer deiner Mitmenschen seine Grenzen dir kommuniziert. Dann weißt du sofort, woran du bei deinem Gegenüber bist und welches Verhalten ihn stört.

Solltest du dich dennoch nicht trauen, rede vorher mit deinen engen Freunden oder deiner Familie über deine Werte und hole dir ihre Meinung und womöglich sogar ihre eigenen Grenzen dazu ein.

Ich kann durch das, was mir passiert, verändert werden, aber ich weigere mich, mich davon herabsetzen zu lassen

Maya Angelou (1928-2014), US-amerikanische Poetin und Menschenrechtlerin

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Schritt 3: Grenzen umsetzen und Konsequenzen ziehen

Der letzte Schritt ist deine gesetzten Grenzen auch umzusetzen. Das bedeutet, dass du versuchst in dem fiktiven Raum deiner Grenzen zu agieren. Wie verändert sich dein Verhalten mit deinen Grenzen? Wie kannst du dich proaktiv verhalten, um deine neuen Grenzen einzuhalten? Das sind die wichtigen Fragen, die du dir stellen musst.

Daraufhin gilt nun noch herauszufinden, wie du reagierst, wenn deine Grenzen einmal überschritten werden. Welche Konsequenzen ziehst du daraus und wie stellst du sicher, dass deine Grenzen nicht noch einmal von deinen Mitmenschen überschritten werden?

Hierbei geht es nicht darum, besonders emotional oder wütend zu werden. Du willst deine Mitmenschen nicht bestrafen dafür, dass sie deine Grenzen überschritten haben. Meistens haben sie es nicht absichtlich gemacht und wollten dir nichts Schlechtes tun. Vielmehr geht es darum, das Problem klar auszudrücken und so schnell wie möglich zu klären. Hast du vorher deine Grenzen kommuniziert, wird dir dieser Schritt sehr viel einfacher gemacht. Dann musst du nur die andere Person darauf hinweisen, zusammen eine Lösung finden und notfalls deine Konsequenzen ziehen.

Typische Probleme beim Grenzen umsetzen und Konsequenzen ziehen

Leider ist dieser Schritt für die meisten Menschen der schwerste. Viele verschiedene Ängste hindern einen oft daran, seine Grenzen wirklich umzusetzen und auf sie zu bestehen. Angst vor Konfrontation und Ablehnung stellen uns oft ein Bein und verleiten uns doch öfters einmal Ja sagen, das wir eigentlich gar nicht möchten. Oft haben wir auch Schuldgefühle, etwas von anderen Menschen zu erwarten.

Dennoch musst du versuchen, dich von diesen Dingen loszulösen. Denn schlussendlich machen sie dich unglücklich und kraftlos. Je länger du deine Grenzen ignorierst und deine Konsequenzen nicht ziehst, umso mehr gibst du einen Teil deiner Selbstbestimmtheit ab. Das Gefühl der Machtlosigkeit schleicht sich ein, weil du nicht die Verantwortung für dein eigenes Leben übernimmst.

Grenzen helfen uns langfristig

Auch wenn der ganze Prozess des Grenzensetzens und -ziehens verstärkt nach Konfrontationen und Problemen klingt, ermöglicht er es uns die zwischenmenschlichen Beziehungen zu unseren Mitmenschen zu verbessern und zu stärken. Anstatt dir vorzustellen, dass du mit deinen Grenzen Mauern baust, die Leute von dir fernhalten, sehe deine Grenzen eher als Säulen, die deine Beziehungen zu deinen Mitmenschen festigt.

Solltest du aber merken, dass jemand wiederholt deine Grenzen überschreitet, kannst du daraus deine Schlüsse ziehen und tun, was für dich am besten ist. Andersrum solltest du genau so auf die Grenzen deiner Mitmenschen achten, um deine Bindung zu ihnen noch weiter zu stärken.

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